Das Spinnenbein

Ich versprach. Und ich halte.

Es geschah vor nicht allzu langer Zeit in der Küche. «Määänu, da het’s e gruusigi Spinnele! Tue die wäg!» schalmeite es an mein Ohr, und weil Diskussion in dieser Situation ohne Funktion wäre, ging ich hin, die Lage zu erfassen.

Tatsächlich: Ein Weberknecht – der, wie ich soeben der Wikipedia (der Online-Enzyklopädie, nicht dem Asteroiden) entnahm, offenbar nur in Vorarlberg und in der Schweiz auch als Zimmermann bekannt ist – , hockte da am Boden und sinnierte wohl gerade über den Sinn des Lebens oder nahm sich sonst eine Auszeit vom strengen Alltag, denn er rührte sich nicht. Weil Weberknechte zu den wenigen Spinnen gehören, die anzufassen mir nichts ausmacht, witterte ich die Gelegenheit, mit heldenhaftem Auftreten zu punkten und schritt stramm auf den ungebetenen Gast zu. Ich gedachte, ihn am Beine zu packen um ihn sodann sanft zum Fenster hinauszubefördern, wie dies so meine Art ist.

Das mit dem Am-Bein-packen gelang mit auch recht gut, denn ich kriegte gleich deren zwei zwischen Daumen und Zeigefinger zu fassen. Der nächste Punkt des meisterhaften Plans misslang dann allerdings so gründlich, wie es nur geht: Auf mystische Art und Weise entfleuchte mir das Tier, und als ich verdattert nochmal genauer hinschaute, bemerkte ich, dass es ein Bein bei mir gelassen hatte, während es sich auf sieben leisen Sohlen hinter der Schrankabdeckung vor meinen groben Greifern in Sicherheit brachte.

Dies alleine wäre schon Grund genug gewesen, mir ein derart schlechtes Gewissen einzujagen, um mich eine Woche lang um meinen Schlaf zu bringen. Aber damit noch nicht genug: Das zurückgelassene Bein – einsam und schutzlos, wie es da auf dem Boden lag – mochte sich mit seiner Situation so gar nicht anfreunden und zuckte weiter munter vor sich hin. Eine gute Minute lang ruderte und strampelte es vergebens, als werde es von schwarzer Magie (mindestens!) oder einem bösen Zauber am Leben erhalten. Dermassen grauslich war dies Schauspiel, dass ich mich tatsächlich nicht mehr überwinden konnte, das bedauernswerte Bein mit blossen Händen würdig in den Kehricht zu befördern, sondern dafür Schüfeli u Bäseli bemühen musste. Eine Operation zum wieder-annähen scheiterte sowieso an der Absenz des Beinbesitzers.

Wenige Tage später tauchte das Tier dann erneut auf. Diesmal wurde ich ihm mit der bewährten Glas-und-Postkarte-Methode Herr und entliess es über den Balkon endlich in die Freiheit.

Das also war die Schauermär des zuckenden Spinnenbeins. Damit Du aber trotzdem noch gut schlafen kannst heute Nacht, jetzt noch zu etwas komplett Anderen.

Es kam heute ein Tatort, wie das an Sonntagen üblich ist. Der Titel hiess «Wahre Liebe» und spielt absolut keine Rolle. Eine Rolle hingegen spielte da tatsächlich der Christian Kerepeszki! Der Christian Kere-wer? Oh Mann, natürlich der Christian Kerepeszki, der zur Zeit am Stadttheater Bern den Faust mimt! Na, wenn das kein Zufall ist! Ich jedenfalls hatte meine helle Freude, ihn auf einmal völlig unerwartet im Fernsehen zu sehen, nachdem ich gestern Abend noch mit (oder besser gesagt: hinter) ihm auf der Bühne gestanden bin.

Voilà. Gute Nacht.

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Frühmorgens im Tram

Wie wird man am schnellsten wach, wenn man um 5:38 Uhr (morgens!) nach einer nicht allzu langen Nacht ins Tram steigt, weil man schon um sieben Uhr in Luzern sein muss? Ganz einfach: Man stolpert in ein Spinnennetz (im Tram!) und merkt es erst, wenn’s im Gesicht gramüselet. Spätestens sobald man realisiert hat, dass einem da eine Spinne über das Antlitz spaziert, schiesst der Adrenalinspiegel derart in die Höhe, dass jedwelche Müdigkeit verflogen ist.

So geschehen heute Morgen. Ich bin jetzt noch ganz wach davon.