Ich werde den Eindruck nicht los, dass ich mich bereits seit geraumer Zeit nicht mehr öffentlich enerviert habe. Diesen Umstand gedenke ich sogleich zu bereinigen.
Zuerst aber noch alles Gute fürs 2017. So.
Jetzt wieder zurück zu blutdruckerhöhenden Themenbereichen, die auch dich nicht kalt lassen sollten.
Da kommt also dieser Chinese nach Bern auf Staatsbesuch, Xi Jinping heisst er und ein Menschenrechtsverächter ist er. Und was tun unsere Behörden? Drei Helikopter lassen sie unablässig über der Stadt lärmen, in unerträglichem Tiefflug, und verbraten so wahrscheinlich mehr Steuergelder, als ich in meinem ganzen Leben je bezahlen kann. Ganz zu schweigen von der damit einhergehenden Luft- und Lärmbelastung.
Derweil schicken sich schwerstgepanzerte Polizeikordons an, den Bundesplatz abzuriegeln, damit das zarte Pflänzchen von Regierungschef nicht zu hören und sehen bekommen muss, dass es auf der Welt durchaus Leute gibt, die nicht mit seiner Politik einverstanden sind – zum Beispiel Tibeter, die gerne in einer freien Heimat leben würden. Stattdessen werden ebenjene Tibeter von der Polizei verhaftet, während pro-chinesische Demonstranten auf dem Bundesplatz munter ihre Fähnchen schwenken dürfen. Sieht so Meinungsfreiheit aus?
Könnte unsere geschätzte Regierung bitte – anstatt dem Despoten mit Freihandelsverträgen in den Allerwertesten zu kriechen – die humanitäre und rechtsstaatliche Tradition der Schweiz hoch halten und sich bei Herrn Xi für die Einhaltung der Menschenrechte in seinem Reich einsetzen?
Und könnte sie es unterlassen, mich mit Hubgeschraube zu belästigen? Ich wäre äusserst dankbar.
Ich bin untröstlich! Mein Handschuh ist weg! Darum hier die offizielle Vermisstmeldung:
Vermisst wird ein linker Handschuh, Modell Militär-Schwarz-Leder. Verloren muss ich ihn heute auf dem Velo haben, zwischen 17:10 und 17:25 auf dem Weg von mir zu Hause zum Stadttheater, wo wir mit der RBB die Dernière des Fausts vollführt haben. Oder aber er ist mir im Stadttheater selber aus der Jackentasche geschlüpft. Oder aber danach auf dem Weg vom Künstlerausgang zum Casino-Parking. Oder dann wieder auf dem Weg vom Casino-Parking zum Kornhausrestaurant, denn als ich mich da von der restlichen RBB verabschiedet habe, habe ich sein Fehlen bemerkt.
Solltest Du also an einem dieser Orte zufälligerweise auf einen alten, schmierigen, schwarzen Lederhandschuh getroffen sein (Grösse M): Das ist meiner! Ich bin froh um jedes Lebenszeichen, denn obwohl ich nicht nur gute Erinnerungen an meine Militärzeit habe, so ist mir doch der Handschuh ein lieber Begleiter in kalten Zeiten geworden, und nur sehr schwer werde ich über seinen Verlust hinwegkommen. Falls überhaupt. Denn noch ist Winter, und der Fahrradlenker kalt umlüftet bei geschwinder Fahrt. Ich bin also schwer darauf angewiesen, meine Finger vor Klammheit zu schützen. Und ein rechter Handschuh alleine vermag nur halb zu wärmen.
Bitte, Handschuh, melde dich! Und bitte, Leser, Leserin, melde dich, wenn du meinen Handschuh findest! Der Finderlohn beträgt ein Ragusa, oder ein Bier nach Wahl! Oder sonst was, was Du Dir wünschst! Es lohnt sich also, die Augen offen zu halten!
Unfassbar unspektakulär ging das vonstatten. Von den angedrohten anderthalb Stunden verbrachte ich gerade mal einen Bruchteil am Abgabeort, um mich vom Wehrdienste loszusagen. Nach kaum zwanzig Minuten war der Spuk vorüber. Aber von Vorne.
Der geneigte Leser weiss vielleicht, dass ich, braver Bürger, der ich bin, meine Wehrdienstpflicht gehorsam und ohne zu murren absolviert habe, und so endlich – endlich! – meinen allerallerletzten Marschbefehl bekommen habe, der mich dazu aufforderte, meinen Plunder zurückzugeben, eine Aufforderung, welcher ich natürlich mit Freuden nachzukommen gedachte. Ich war ein wenig spät dran am Morgen, immerhin ist 0930 auch eine gar unchristliche Zeit, und so braucht sich niemand zu wundern, wenn ich ein bisschen verspätet auftauche. Mein knappes Zeitbudget erlaubte es denn auch nicht, dass ich, wie per Brief vorgängig angeordnet, meine Grundtrageinheit 90 in ihre Einzelteile zerlegte, und so erschien ich halt mit assembliertem Gstältli um ca. neunuhrfünfunddreissig in der Kaserne.
Nicht, dass dies überhaupt jemanden interessiert hätte. Ich hätte wohl auch erst um 10 Uhr oder Nachmittags um 3 kommen können. Ich trat in die Turnhalle ein (Gebäude 13C) und wusste zuerst gar nicht, was ich zu tun hatte. Wohl gewahrte ich die Einkaufswagen, die dort in einer Reihe warteten, auch sah ich den Parcours, der mich entfernt an einen Hindernislauf gemahnte, und ich registrierte auch die Männer (denn Frauen hatte es keine), die mit gefüllten Einkaufswagen ebendiesen Parcours absolvierten. Aber weder wurde ich in Empfang genommen, noch willkommen geheissen, noch fand ich eine Anleitung, was von mir verlangt wurde. Also schaute ich mich zuerst einmal mit grossen Augen um und staunte in die Halle.
Da fiel mir ein Schild auf, welches, wie mir bei näherer Betrachtung klar wurde, einen behelfsmässig hingemalten Einkaufswagen im Querschnitt darstellen sollte. Schematisch war darauf angegeben, wie man sein ganzes Material in seinen Wagen zu schichten hatte, damit bei der Abgabe alles reibungslos in der richtigen Reihenfolge wieder daraus entfernt würde werden können. Ein genialer Plan! Da hat sich jemand etwas überlegt! Ich war beeindruckt und begann zu schichten, nachdem ich mein GT in seine Einzelteile zerlegt hatte.
Mit vollem Einkaufswagen machte ich mich auf dem Parcours. Beim ersten Posten fasste ich mein Dienstbüchlein zurück. «Friedli, Manuel», meldete ich mich. Die Dame am Computer meinte: «Ah, dasch itz luschtig, e Friedli hani itz doch ersch grad gha!» und ich antwortete: «Aha, soso, potzblitz!» ohne mir weiter etwas dabei zu denken und machte mich auf zum nächsten Posten, der Waffenabgabe, obwohl ich gar keine Waffe habe, aber kontrolliert muss das offenbar trotzdem sein, und das ist gut so.
Beim Posten war bereits ein Einkaufswägelischubser vor mir da, und so stellte ich mich hinten an. Wie so oft, wenn ich warte, drehte ich Däumchen und schaute mich um, unter Anderem musterte ich natürlich auch den sympathischen jungen Mann, der da vor mir seine Pistole zurück in die Obhut des Vaterlandes gab. Und da traf mich beinahe der Schlag. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, wer dieser «Friedli» war, der gleich vor mir beim Computerfräulein gewesen war: Kein anderer war es als derjenige welcher, der Friedli, der Tobias, der Schlagzeuger des Swiss Jazz Orchestra!
Schüchtern, wie ich bin – wer mich nicht kennt, weiss das -, machte ich keinen Mucks sondern wartete (wahrscheinlich mit andächtig geöffnetem Mund und leicht debilem Gesichtsausdruck) geduldig, bis ich an der Reihe war.
Da ich keine Waffe abzugeben hatte, durfte ich gleich weiter zum nächsten Posten, und hier überholte ich den Herrn Friedli bereits, der noch mit seinem GT zugange war und all die unzähligen Taschen und Riemen demontierte. Scheint wohl am Nachnamen zu liegen, dass man sich nicht unbedingt an das hält, was in den Briefen vom Militär steht.
Item. Ich gab nach und nach mein ganzes Zeug ab, und nachdem ich meinen Einkaufswagen zurückgegeben hatte, erwartete mich ein Oberst Sowieso vor dem Ausgang, um sich bei mir zu bedanken für die geleisteten Diensttage. Mir lag auf der Zunge:
Scho guet, müesst nech nid äxtra bi mir bedanke, es isch ja nid freiwiuig gsi, was i da gleischtet ha, vo däm här chöit dr nech’s eigentlech grad spare.
Da ich aber mein Abschiedspräsent nicht aufs Spiel setzen wollte, beherrschte ich mich brav und sagte lediglich: «Bitte, das isch gärn gscheh, Ufwiederluegemerssischön!» und nahm mein Geschenk entgegen.
Und auch Du hättest für dieses schöne Geschenk gelogen, dass Dir beinahe die Zunge abfällt, denn siehe:
Wooow – ein Päckli! Das verspricht Spiel, Spass UND Spannung in einem! Und gespannt war ich tatsächlich derart, dass ich, kaum draussen, das Paket öffnete und meinem Gwunder Linderung verschaffte.
Und was steckte drin?
Ein Pack Militärbiscuits und ein Riegel Schweizer Offiziersschokolade. Naja, es hätte schlimmer kommen können.
Heiligabend Anno Domini MMVIII, also zwotausendundacht, nahm ich mir vor, das Guggershörnli zu besteigen. Wohl zuletzt bestiegen hatte ich diesen Hoger in der ungefähr fünften Klasse, es war also wieder mal höchste Zeit.
Dass es nun annähernd vier Jahre gedauert hat, den Vorsatz in die Tat umzusetzen, hat einen mir unbekannten Grund, weshalb ich verständlicherweise auch nicht darlegen kann, warum ich den Aufstieg nicht schon viel früher unter die Hufe genommen habe. Jedenfalls waren letzten Sonntag sowohl Gelegenheit als auch Wetter hervorragend, das Versäumnis endlich aus der Welt zu schaffen.
Nach einer Stunde entspannten Reisens waren wir wohlgemut in Plaffeien angekommen und nahmen den Weg nach Guggisberg in Angriff. Da ich keine Wanderschuhe besitze, hatte ich – wie immer, wenn ich wandern gehe – meine Armeestiefel geschnürt und stapfte vergnügt in diesem bequemen Schuhwerk über den weichen Waldboden.
Nach circa zehn Minuten Fussmarsch hatte ich plötzlich das Gefühl, es habe sich an meiner Schuhsohle ein Dreckklumpen angepappt, irgendetwas schlabberte nämlich an meinem linken Schuh und wollte sich auch von penetrantem Beineschütteln nicht loswerden lassen, und so warf ich schliesslich einen Blick nach unten und gedachte, die Sache in Ordnung zu bringen.
Was ich sah, liess mich jedoch verwundert die Augen gross machen: Da war kein Dreck am Schuh. Genau genommen war da eigentlich noch viel weniger als Dreck – zum Beispiel keine Sohle mehr.
Das heisst, nicht ganz: Die Sohle war schon noch da. Aber nur noch an der Spitze mit dem restlichen Schuh verbunden. Der hintere Teil wippte bei jedem Schritt wie wild auf und ab, und vermittelte mir beim Gehen das Gefühl, als marschierte ich über ein Trampolin.
Ein starkes Stück! Und das sollen nun Armeeschuhe sein? Kriegstauglich? Kampferprobt? Gefechtswillig? Den Soldaten möchte ich sehen, der dem bösen Feind mit fliegenden Sohlen entgegenstürmt! Eine Frechheit ist es, uns armen Wehrpflichtigen solch ein Gelump anzudrehen!
Ich wollte mich aber nicht erzürnen, sondern den Tag geniessen, und nahm’s mit Humor. Was wollte ich auch sonst tun? Schliesslich waren wir erst kurze Zeit unterwegs, und so schlimm würde es schon nicht sein, mit einer losen Sohle das Guggershorn zu erklimmen.
Fünf Minuten später verabschiedete sich auch die rechte Sohle. Nun flip-floppte es definitiv bei jedem Schritt, ich hätte am Strand eine tiptoppe Figur abgegeben, aber über Stock und Stein zu wandern, das geriet nun definitiv zum Abenteuer. Auf flachem Untergrund mochte es ja noch gehen, aber sobald wir den Gipfel erreicht hatten und ich die Treppe hinauf erklomm, merkte ich, dass mit labbrigen Sohlen nicht gut treppensteigen ist. Trotzdem überstand ich den Ausflug ohne Hals- oder Beinbruch, und darauf bin ich ganz schön stolz. Nicht jeder kann von sich behaupten, mit losem Schuhwerk auf dem Guggershörnli gestanden zu haben!
Und weil ich der Nachwelt nichts vorenthalten will, hier zwei Bilder:
Löst sich also mein Material bereits auf, bevor ich’s abgegeben habe! Vrruckt, weme dänkt!
Wie archaisch! In Zeiten von Einzahlungsschein, E-Banking und effizienter Überweisung bekomme ich doch tatsächlich vom Militär einen Check! Matter hatte also doch recht. Du erinnerst Dich bestimmt, worum’s ging.
Ich wusste ja gar nicht, dass es sowas gibt. Es nennt sich «Auszahlungsschein» und ist auch nicht orange, wie ich das von den Einzahlungsscheinen gewohnt bin. Und weil dies wahrscheinlich die letzte Gelegenheit in meinem Leben ist, jemals so ein Kuriosum von Nahem zu sehen, will ich es hier verewigen:
Und jetzt husche ich zur Post und schaue, ob das klappt mit dem Auszahlen. Wünsch› mir Glück!