Heiligabend Anno Domini MMVIII, also zwotausendundacht, nahm ich mir vor, das Guggershörnli zu besteigen. Wohl zuletzt bestiegen hatte ich diesen Hoger in der ungefähr fünften Klasse, es war also wieder mal höchste Zeit.
Dass es nun annähernd vier Jahre gedauert hat, den Vorsatz in die Tat umzusetzen, hat einen mir unbekannten Grund, weshalb ich verständlicherweise auch nicht darlegen kann, warum ich den Aufstieg nicht schon viel früher unter die Hufe genommen habe. Jedenfalls waren letzten Sonntag sowohl Gelegenheit als auch Wetter hervorragend, das Versäumnis endlich aus der Welt zu schaffen.
Nach einer Stunde entspannten Reisens waren wir wohlgemut in Plaffeien angekommen und nahmen den Weg nach Guggisberg in Angriff. Da ich keine Wanderschuhe besitze, hatte ich – wie immer, wenn ich wandern gehe – meine Armeestiefel geschnürt und stapfte vergnügt in diesem bequemen Schuhwerk über den weichen Waldboden.
Nach circa zehn Minuten Fussmarsch hatte ich plötzlich das Gefühl, es habe sich an meiner Schuhsohle ein Dreckklumpen angepappt, irgendetwas schlabberte nämlich an meinem linken Schuh und wollte sich auch von penetrantem Beineschütteln nicht loswerden lassen, und so warf ich schliesslich einen Blick nach unten und gedachte, die Sache in Ordnung zu bringen.
Was ich sah, liess mich jedoch verwundert die Augen gross machen: Da war kein Dreck am Schuh. Genau genommen war da eigentlich noch viel weniger als Dreck – zum Beispiel keine Sohle mehr.
Das heisst, nicht ganz: Die Sohle war schon noch da. Aber nur noch an der Spitze mit dem restlichen Schuh verbunden. Der hintere Teil wippte bei jedem Schritt wie wild auf und ab, und vermittelte mir beim Gehen das Gefühl, als marschierte ich über ein Trampolin.
Ein starkes Stück! Und das sollen nun Armeeschuhe sein? Kriegstauglich? Kampferprobt? Gefechtswillig? Den Soldaten möchte ich sehen, der dem bösen Feind mit fliegenden Sohlen entgegenstürmt! Eine Frechheit ist es, uns armen Wehrpflichtigen solch ein Gelump anzudrehen!
Ich wollte mich aber nicht erzürnen, sondern den Tag geniessen, und nahm’s mit Humor. Was wollte ich auch sonst tun? Schliesslich waren wir erst kurze Zeit unterwegs, und so schlimm würde es schon nicht sein, mit einer losen Sohle das Guggershorn zu erklimmen.
Fünf Minuten später verabschiedete sich auch die rechte Sohle. Nun flip-floppte es definitiv bei jedem Schritt, ich hätte am Strand eine tiptoppe Figur abgegeben, aber über Stock und Stein zu wandern, das geriet nun definitiv zum Abenteuer. Auf flachem Untergrund mochte es ja noch gehen, aber sobald wir den Gipfel erreicht hatten und ich die Treppe hinauf erklomm, merkte ich, dass mit labbrigen Sohlen nicht gut treppensteigen ist. Trotzdem überstand ich den Ausflug ohne Hals- oder Beinbruch, und darauf bin ich ganz schön stolz. Nicht jeder kann von sich behaupten, mit losem Schuhwerk auf dem Guggershörnli gestanden zu haben!
Und weil ich der Nachwelt nichts vorenthalten will, hier zwei Bilder:
Löst sich also mein Material bereits auf, bevor ich’s abgegeben habe! Vrruckt, weme dänkt!