Der Jahrhundertraub

«Jahrhundert-Raub in Zürcher Museum» titelte heute eine Schweizer Gratiszeitung. «Oh nein», schoss es mir durch den Kopf, «nicht schon wieder!» Wieder haben skrupellose Diebe ein Jahrhundert entwendet! Als ob das in der Vergangenheit nicht schon genug vorgekommen wäre!

Das Argentinische Tageblatt vom 21. Januar 2006 berichtete ebenfalls von einem Jahrhundertraub, der in einer argentinischen Bank stattgefunden haben soll (Link zum Artikel als PDF), der Focus schrieb am 26. Dezember 2006 über einen 20 Jahre zurückliegenden «Jahrhundertraub» in Saint-Nazaire, und erinnerst du dich noch an den sogenannten Jahrhundertraub anno 1997, bei der Fraumünsterpost in Zürich (kleine Geschichte dazu hier)?

Da kann man sich doch wirklich fragen, was mit all den gestohlenen Jahrhunderten geschehen ist. Google liefert uns ungefähr 935 Treffer für den Terminus «jahrhundertraub». Nach kurzer Multiplikation kommen wir so unschwer auf circa 93’500 entwendete Jahre, um die sich die Menschheit zurückversetzt sehen müsste. Wir befänden uns somit etwa im Mittelpaläolithikum, fräsen Kräuter und erlegten Säbelzahntiger, tränken frisches Bergquellwasser und schlügen uns gegenseitig mit Faustkeilen die Schädel ein.

Unter diesem Gesichtspunkt grenzt es beinahe an ein Wunder, dass ich am Computer überhaupt einen Blogeintrag schreiben kann.

Ehe-ähnliche Diplomatinnengattinnen?

Kürzlich wurde ich von Reufi mit folgender Frage konfrontiert:

Mänu, schreibt man «Diplomatengattinnen und Diplomatinnengatten» oder «Diplomatengattinnen, Diplomatinnengatten, Diplomatinnengattinnen und Diplomatengatten» und in welcher Reihenfolge? Oder wie Casi vorschlägt «diplomatengattinnen, diplomatinnengatten, diplomatinnengattinnen, diplomatengatten, partner von diplomatinnen in einer ehe-ähnlichen beziehung, partnerinnen von diplomaten in einer ehe-ähnlichen beziehung, partnerinnen von diplomatinnen in einer ehe-ähnlichen beziehung, partner von diplomaten in einer ehe-ähnlichen beziehung»?

Ich muss zuerst meinen tiefen Dank und meine nicht minder tiefe Befriedigung über diese Frage ausdrücken. Nicht etwa, weil sie mich besonders interessieren oder speziell fordern würde. Vielmehr sehe ich in dieser Frage den Beweis dafür, dass ich trotz ständigen gegenteiligen Kommentaren und Äusserungen von Reufi und Casi offensichtlich als die Choryphäe auf dem Gebiet der deutschen Sprache angesehen werde, die ich nun mal bin.

Nun aber zur Beantwortung,  und damit zur Linderung von Unwissen in den Köpfen Reufis und Casis!

Nach eingehender Diskussion mit meinem Beraterstab und tagelangem Orakeln kann ich hier ein Resultat präsentieren, das auch den kritischen Teil meiner hochwohlgelöblichen Leserschaft zufriedenstellen wird. Der Lösungsfindungsprozess stellte sich als hochkomplex heraus, weshalb ich hier lediglich das Endresultat zu zeigen gedenke, ohne die Details der mit der Lösungsfindung einhergehenden Diskussion breitzuwalzen.

Die Lösung, die sich als die Optimale herauskristallisiert hat, ist sowohl verblüffend als auch Simpel: Diplomatengatten. Argumentativ begründet wird dies wie folgt:

  1. Für die Erhaltung des generischen Maskulinums
    Es ist zu einer regelrechten Unsitte verkommen, bei Allem und Jedem ein -innen, /innen oder Innen anzuhängen. Ein(e) ansonsten grandiose(r) Text/-in verkommt zu einem/r unleserlichen FlickwerkIn, wenn er/sie gespickt ist mit diesen unsäglichen Suffixen/innen. Einverstanden?
  2. Ehe-ähnliche Beziehungen bei Diplomaten werden nicht geduldet
    Ein rechtschaffener Diplomat ist entweder ledig und single, oder glücklich verheiratet. Man hat schliesslich ein Image zu wahren, und da passen wilde Beziehungen, Affären und dergleichen nicht hinein.

Mit diesen beiden Punkten lässt sich der ganze, komplizierte Satzbau, wie ihn Reufi vorschlägt, auf das simple Diplomatengatten destillieren.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Wenn für das Rätsel zu wenig Reisezeit bleibt

Manchmal sitzt man ja im Tram und löst ein Kreuzworträtsel. Oder ein Sudoku. Oder ein Kakuro. Oder ein anderes Rätsel mit kryptischem Namen. Auf alle Fälle kann es vorkommen, dass die Tonbandfrau bereits das gefürchtete «Brunnadernstrasse» verkündet, wenn man mit dem Rätsel hinten und vorne noch nicht fertig ist.

Mir ist das sowohl gestern als auch heute widerfahren, nach Adam Ries macht dies zwei Mal innerhalb von lediglich zwei Tagen, was einem Tagesdurchschnitt von Einemmal entspricht, und deshalb erwähnenswert ist.

Ich sass also gestern im Tram, das soeben den Thunplatz hinter sich gelassen hatte, und rätselte über dem Heute-Sudoku, was das Zeug hielt. Noch hatte ich kaum die Hälfte ausgefüllt, und ich wusste, dass ich in weniger als 30 Sekunden würde aussteigen müssen, das Tonband hatte meine Endstation bereits verkündet. Wie mühsam! Stiege ich nun wirklich aus, so unterbräche ich meinen Denkfluss und zerstörte damit jegliche Hoffnung, das Sudoku jemals noch lösen zu können! In diesem Moment höchster Verzweiflung hatte ich einen Geistesblitz, der mich aus heiterem Himmel mit voller Wucht mitten ins Denkzentrum der Grosshirnrinde traf: «Mänu», blitzte er, «du hesch doch es GA! Blib eifach sitze, u lös das verflüemerete Rätsu fertig!» Aber ja! Klar doch! Wieso auch pressieren, wenn ich theoretisch den ganzen lieben langen Tag Tramfahren könnte (so es denn mein Terminkalender erlaubte)?

Ich richtete es mir also auf meinem Sitz so gemütlich ein, wie möglich, und als das Tram den Ostring umrundet hatte und von der anderen Seite her auf die Brunnadernstrasse zusteuerte, hatte ich erstens fertiggerätselt, und konnte mich zweitens über eine nicht unerhebliche Entdeckung freuen: Fahre ich von stadtauswärts auf die Brunnadernhaltestelle zu, so muss ich nicht mehr an der Fussgängerampel auf grünes Licht warten, um die Strasse zu queren, da ich bereits auf der richtigen Strassenseite bin!

Diese Erkenntnis beherzigend blieb ich denn auch heute noch für eine Extrarunde sitzen, diesmal ins Saali, und ich habe nicht vor, diese neue Gewohnheit in naher Zukunft bereits wieder fallen zu lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Gute Nacht!

Ehrlichkeit währt am Längsten

Manchmal wirkt ein geschliffenes Mundwerk Wunder, und Ehrlichkeit währt am Längsten, schreibt man das gross oder klein, ich weiss es nicht (das «Längsten» meine ich).

Allgemein bekannt ist ja, dass Restaurants ihre Biergläser direkt vom Grosslieferanten beziehen, und zwecks Werbung erst noch gratis und franko. Also kostet es die Restaurants auch nichts, wenn hin und wieder in Glas in die Brüche geht. Oder wenn an einem Abend plötzlich ein Glas weniger in der Abwaschmaschine landet, als noch am Morgen. Trotzdem zeugt es nicht von guter Erziehung, wenn man ein Glas einfach so mitnimmt.

Ich, der ich in meiner Kindheit in den Genuss hervorragender Erziehung gelangt bin, befand mich heute in einer Beiz, manche Leute würden es auch Spunten nennen, und diese Beiz schenkt ihre Biere in Cardinal-Gläsern aus. Diese Gläser, die haben es mir angetan. Ich bestaunte eines dieser Behältnisse aus durchsichtigem Hartmaterial, aus welchem ich soeben mein Bier getrunken hatte. Es einfach so mitzunehmen, getraute ich mich nicht, meiner Erziehung wegen, und als der Kellner es mir fortnehmen wollte, intervenierte ich deshalb folgendermassen: «Wieviu choschtet de sones Glas? I finde das würklech schön, und möcht’s gärn ha!», beschied ich ihm, und er, der deutschen Sprache nicht ganz so mächtig wie ich, hatte anfänglich eine kleine Schwierigkeit, meinem Gedankenstrang in derselben Richtung zu folgen, wie ich ihn spann. Nach ein paar erklärenden Worten hatte er mein Ansinnen begriffen, und scherzte, die Gläser stünden nicht auf der Getränkekarte und er wisse nicht, wieviel sie kosteten und ob ich denn lieber ein abgewaschenes hätte. «Öh, was? Ja, gärn», konnte ich in meinem Erstaunen brummeln, und schon stand ein abgewaschenes, noch leicht warmes Cardinal-3.3-dl-Glas abhol- und mitnahmefertig vor mir auf dem Tresen.

Ich muss schon sagen: Manchmal wirkt ein geschliffenes Mundwerk Wunder, und Ehrlichkeit währt am Längsten (schreibt man das gross oder klein? Ich weiss es nicht).

Und noch nebenbei: Es guets Nöis (auch wenn ich das schonmal gewünscht habe).

Auch die Toilette ist ganz normal

Dass ein Pissoir ganz normal ist, auch im Bellevue, das weiss meine hochwohlgelöbliche Leserschaft mittlerweile. Dass auch die Fäkalierfazilität dem Fünfsternestandard entspricht, kann ich seit heute bezeugen.

Ich musste dringend, und war in der Gegend, also ergriff ich die Gelegenheit und trat ins Bellevue ein. Ennet der Drehtüre war einer mit Staubsauger, der sagte etwas zu mir, das ich nicht verstand, und schon hatte ich Bange, er wolle mich inauskomplimentieren. Auf mein schüchternes «Wie bitte?» jedoch wiederholte er sein soeben Gesagtes: «Guete Abe», und ich war erleichtert und konnte dasselbe zurückwünschen.

Mittlerweile schon ein wenig geübt in solchen Dingen steuerte ich direkt auf die Réception zu und fragte, unglaublich höflich, ob ich die Toilette benützen dürfe. «Aber klar», kam postwendend die Antwort, und so trat ich ein, aber alles sah eigentlich so aus wie beim letzten Mal. Nur dass ich diesmal nicht das Pissoir, sondern die richtige, grosse Toilette benutzte, die, und das muss gesagt sein, allen Komfort bietet, den man von einer handelsüblichen Toilette erwartet. Aber auch nicht mehr.

Nach erfolgreicher Erledigung meines Geschäftes verliess ich den Ort, und beim Hinausgehen wünschte mir der Staubsaugerbediener einen schönen Abend, und gab der Drehtüre einen gehörigen Mupf, so dass ich mich nicht selber bemühen musste, sie in Schwung zu bekommen. Ein wahnsinniger Service! Sogar die Drehtüre wird bedient!

Ob so viel Luxus wird man verständlicherweise müde, und so empfehle ich mich denn mit den allerbesten Wünschen zur Nachtruhe und Nachweihnachtszeit.

Gute Nacht!