February your grandmother!

Der letzte Beitrag endete mit eurer Mutter. Und hat nicht auch Captain Cook, der Barde aus dem vorletzten Beitrag, eine gewisse Affinität zu seiner Mutter? Allem Anschein nach ist die Mutter in letzter Zeit ein Thema, das die Welt bewegt.

Dies beweist doch bereits der unter schweizer Jugendlichen früher wohlbekannte und vielgeschätzte Ausruf «Dini Mer!», was so viel bedeutet wie «Ja chumm, häb doch d Schnure, du hesch doch ke Ahnig vo däm wo de hie laferisch, u sowieso bisch e Löu, chumm, fahr doch ab, Plagööri, was de bisch!», einfach ein bisschen kürzer und prägnanter.

Dass dieses «Dini Mer!» nicht eine Erfindung der Neuzeit ist, beweist uns die Lektüre von George Orwells 1984. Ich persönlich befinde mich zur Zeit mitten darin, schliesslich bietet mir mein vorübergehendes Telekommunikationsendgerät die Möglichkeit, unentgeltlich Buchinhalte zu speichern und bei Bedarf darzustellen, und so habe ich momentan diesen bekannten Roman fast allzeit dabei.

Jedenfalls bin ich in Kapitel 8 des ersten Teils auf Seite 10 von 58 auf folgende Textpassage gestossen, wo zwei Männer in eine hitzige Diskussion um Lottozahlen vertieft sind:

«Yes, a seven ‹AS won! I could pretty near tell you the bleeding number. Four oh seven, it ended in. It were in February–second week in February.»

«February your grandmother! I got it all down in black and white. An› I tell you, no number–«

Nun, der intelligente Teil meiner hochwohlgelöblichen Leserschaft, also alle, wird festgestellt haben, dass es sich hier nicht um eine Mutter, sondern um eine Grossmutter in Konjunktion mit einem Februar handelt. Den Februar wollen wir ignorieren, und die Grossmutter lässt sich spielend leicht dadurch erklären, dass 1984 im Jahre 1949 erschien, und die Mutter ist seitdem eben ein wenig gealtert. Ein durchaus einleuchtendes Argument.

Ich entlasse Dich ins Wochenende. Schönen Tag noch.

Minus eine Karte, Plus eine Erfahrung, oder: Wer stochert hat mehr vom Dreckwasser

«Den Stocherer» könnte man mich nennen, wenn man wüsste, wie sehr ich heute Abend gestochert habe. Wie auch gestern schon. Beide Male ergebnislos.

Wir hatten Wäsche. Die Waschmaschine des Hauses akzeptiert als Zahlungsmittel diese Plastikkärtchen, die man in diesen Schlitz schiebt, wo es dann dieses Guthaben davon abbucht, damit man diese Wäsche waschen kann. Jedenfalls wollte ich gestern zwecks Abbuchung und Initiierung des Wäschevorgangs das Kärtchen in den Schlitz einführen, schwadelte dabei aber aus irgend einem Grunde derart, dass mir die Waschkarte aus den Fingern auf den Boden fiel. Nein, nicht auf den Boden, das wäre ja kein Problem gewesen. Schlimmer, viel Schlimmer!

Neben der Waschmaschine befindet sich nämlich ein kleiner Gully, in dessen Deckel ein Loch eingesägt ist, in welches wiederum das Abflussrohr der Waschmaschine mündet. Das Loch ist jedoch um einiges grösser als der Schlauch des Abflusses. Diese Tatsache liefert den Stoff woraus Räuberpistolen und Bestsellerromane gemacht sind, und meine hochwohlgelöbliche Leserschaft hat natürlich schon längst herausgefunden, wohin genau denn nun meine Wäschekarte fiel.

Ins Loch.

Mitten hinein.

Hätte ich beabsichtigt, so gut zu treffen, ich hätte es beim besten Willen nicht geschafft, denn das war ein wahrer Schuss ins Schwarze, im Dart wäre die Karte mitten ins Bull’s-Eye geflogen, und damit wäre ich erst noch berühmt geworden, denn wer trifft schon mit einer aeroundynamischen Platikkarte mitten in die Mitte der Scheibe.

Nun, «Scheisse!» dachte ich, «dasch itz aber e Witz, oder?!». Auf der Karte waren noch gut siebzehn Franken gewesen, und die einfach so den Abfluss hinunterzuspülen, darauf hatte ich, gelinde gesagt, grad gar keine Lust. In meiner Not behändigte ich, zwecks dringender und drängender Wäsche, die zweite Wäschekarte, um wenigstens mal die Maschine in Gang zu bekommen. Ferner beschaffte ich mir aus der Küche ein Utensil, das es mir erlauben würde, im Gully zu rühren, um eventuell noch einen Blick auf das in Seenot geratene Opferkärtchen zu erhaschen.

So stocherte ich denn gestern gewiss zehn Minuten in der trüben Brühe, die zwar nicht tief, dafür aber genau so eklig stinkend wie jede beliebige Kloake im von Spinnweben zugekleisterten Loch steht. Wie gesagt: erfolglos.

Heute unternahm ich den nächsten Versuch, den ich nach Stunden, so kam es mir vor, ebenfalls ergebnislos abbrechen musste.

So habe ich nun das benutzte Küchenutensil, dessen Name, Funktion und AHV-Nummer ich hier aus Datenschutzgründen lieber nicht nennen möchte, dem Backofen überantwortet, wo es sich während mindestens dreissig Minuten in der 200 Grad heissen Luft aller Keime und Bakterien entledigen darf, die es im Abwasser aufgelesen haben könnte.

Achtung, Kinder: Wäsche waschen kann unbekannte Gefahren bergen. Überlasst es besser eurer Mutter.

Der Saxophone Gesang

Es gibt Musik, und es gibt Musik. Mehrerlei Sorten, Arten, und Sparten derselben tummeln sich auf dem weiten Felde der künstlerischen Ausdrucksweise. Besonders angetan haben es mir momentan die sagenhaften Klänge der Captain Cook’schen singenden Saxophone.

Es ist Musik zum Schwelgen. Dem weichen Klang der himmlischen Aerophone ist zu entnehmen, dass die Musikanten ihr ganzes Herzblut, ja, ihre vollkommenste Hingabe in jede einzelne Note der musikalisch ausnehmend hochstehenden Kompositionen gesteckt haben. Der Schmelz der Melodieführung vermag das Herz anzurühren, dass einem warm wird ums Gemüt. Und erst die gekonnt dezente Begleitung durch Synthesizer-Klavier und Midi-Schlagzeug verleiht dem opulenten Klangensemble den letzen Schliff, der dem geneigten Hörer durch Mark und Bein fährt, ihn elektrisiert und nicht mehr loslässt, ihn gefangen nimmt in einer Welt aus Wohlklang und Harmonie.

Es ist Musik zum Träumen. Die zarten Akkorde und Melodien vertreiben selbst die hartnäckigsten Sorgen des Alltags aus jedem Herz, die Seele wird frei und entfaltet sich in Anbetracht solch graziöser Klangbildung, solch sanfter Artikulation, solch enigmatischen Musizierens.

Es ist Musik zum Verlieben. Die Stücktitel, als da wären: «Schenk mir deine Zärtlichkeit», «Romantic Dreams», «Traumschiff der Liebe» oder «Zauber der Gefühle», sagen bereits mehr als tausend Worte. Den sanften Klängen der singenden Saxophone lauschend sieht man sich auf einem weissen Schimmel über den karibischen Sandstrand in den Sonnenuntergang reiten, die laue Seebrise im Haar und die Liebste im Arm.

Lieber Leser! Denkst du auch gerne an deine Mutter?

Ohn› Telefon, ohn› Kommunikation

Ich habe ein erstaunlich internetfreies Wochenende hinter mir. Dies nicht ganz freiwillig, allerdings wohl auch nicht zu meinem Schaden. Als störend kann höchstens empfunden werden, dass nebst dem fehlenden Internet auch das Telefon geschwiegen hat. Und zwar sowohl ein- als auch ausgehend. Und dies kam so:

Irgendwann im Verlaufe des Sonntagnachmittages wurde es still auf der Telefonleitung. Das Freizeichen blieb aus, wenn wir den Hörer abnahmen, und wenn wir versuchten, von beliebigen mobilen Telekommunikationsendgeräten auf unseren Festnetzanschluss zu verbinden, wurden wir umgehend mit einem Besetztzeichen abgewimmelt.

Auch die Internetverbindung verhielt sich verdächtig ruhig, soll heissen: War dem Tod näher denn dem Leben. Kein einziges Bit fand den Weg weder nach aussen noch nach innen.

«Ja super, hei di Giele bi Orange wider mau öppis küngelet! Gratuliere!», dachten wir, und geduldeten uns.

Am Montagmorgen: Totenstille auf allen Leitungen. Also griff ich zum Hörer meines vorübergehenden mobilen Telekommunikationsendgerätes und wählte die Gratishotline von Orange. Ich wählte mich wie ein Wilder durch den automatischen Sprachdienst, um am Ende Bescheid zu kriegen, ich sollte bittesehr auf die andere Hotline, die für die technischen Fragen, anrufen, die wo elf Rappen pro Minute kostet. Was ich dann auch tat. Oder besser gesagt: versuchte, denn 0900er-Nummern sind von meinem vorübergehenden mobilen Telekommunikationsendgerät gesperrt. Ebenso von dem Corni seinem, und von den flitterwochigen Roman und Inés war in diesem Moment keine grosse Schützenhilfe zu erwarten.

Dann also ab in die Telefonkabine, notabene mit dem grossen, dicken Ordner, der alle Orange- und Swisscom- (und sonstigen) -Unterlagen enthält. Postcard in den Schlitz, und — dann der Ärger: Offensichtlich funktioniert die Postcard an den öffentlichen Telefonen bereits nicht mehr. Dann halt wieder zurück in die WG, um alles vorhandene Münz zusammenzukratzen, denn wer weiss, wie lange man in der Warteschlaufe verweilen muss, bis man endlich an die Reihe kommt, und das kann dann teuer werden.

Mit genügend Kleingeld ausgestattet startete ich den zweiten Versuch. Die Warteschlaufe entpuppte sich als angenehm kurz, und der orange Herr am anderen Ende der Leitung als angenehm freundlich und hilfsbereit. Bereits nach kurzer Zeit hatte er das Problem als sich in der Swisscom-Zentrale befindlich eruiert.

So wählte ich dann halt die zum Glück kostenfreie Störungsnummer der Swisscom, wo ich nach Nennung der gestörten Telefonnummer vom sympathischen Frollein als «Herr Hellfiger» begrüsst wurde. Nunja, Häfliger ist für deutsche Zungen allem Anschein nach ein komplizierter Name.

Jedenfalls wurde für unseren Anschluss ein Trouble-Ticket eröffnet, und am Abend um sieben ereilte mich der Telefonanruf eines weiteren freundlichen Frolleins (arbeiten da eigentlich ausschliesslich freundliche Frolleins, bei der Swisscom?), sie müssten uns einen Techniker ins Haus schicken, und das würde «am Zischtig morge zwüsche achti u zwöufi» passen. Hey! Hervorragend! Ich liebe präzise Zeitangaben!

So blieb ich denn heute Morgen zu Hause, des Technikers harrend, der da kommen möge.

Er kam, sah, und schraubte. «E Churzschluss uf dr Leitig» diagnostizierte er, flickte die Chose, und Telefon und Internet funktionieren seither wieder Reibungslos.

Das ist denn auch der Grund, dass ich hier und jetzt bloggen kann. Ist die Technik nicht ein gar wundersames Ding?

Der Sohn vom Samichlaus!

Die landläufige Meinung erzählt uns, der Samichlaus wohne am Nordpol oder im tiefen Wald oder hinter den hohen Bergen, aber das ist alles Habakuck. Der Samichlaus wohnt nämlich irgendwo hier in Bern, schliesslich kam er früher immer im Dezember mit seinem Schmutzli, seinem Esel und seinem dicken Buch voller Weisheiten an die Steinerstrasse zu Nachbars Haus, wo sich beinahe die gesamte Steinerstrassenbevölkerung eingefunden hatte, um der Jungmannschaft die Leviten zu lesen, und man kommt nicht einfach so mir-nichts-dir-nichts nach Bern, nein, man muss schon hier wohnen, um hier Samichlaus zu sein. Und gestern nun, da ist etwas Ungeheuerliches passiert. Aber lies selber!

Begonnen hat der Abend in der Seemannsbar. Wir tranken ein, zwei Bier und ein, zwei Carajillos (schreibt man das so?), assen dazu eine gute, harte Räucherwurst, und dann ging’s los: Zwei musikinstrumentenbewehrte Gesellen, der eine mit Tuba, der andere mit Trompete, stürmten das Lokal und begannen sogleich zu spielen, was sich für meinen rechten Mittelfinger als fatal erwies. Vom ständigen Mitschnippen — und mitschnippen musste ich einfach, denn die haben höllengut gespielt, die zwei — vom Mitschnippen also bildete sich innert kürzester Zeit sooooooo eine Platere, die mich jetzt noch daran hindert, die Hand einigermassen artgerecht zu benutzen.
Kurzum: Wir waren begeistert. Aus dieser Begeisterung heraus ergab sich ein Gespräch mit den beiden Musikanten, im Verlaufe desselbigen sich Ben, der Trompeter, erkundigte, ob ich denn Peter und Thomas kenne, und ich antwortete aber natürlech, bi dene hei mr ja geng dr Samichlous gfiiret, u mit em Peter bini i d Schueu, und als mir Ben noch einmal seinen Nachnamen nannte, fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren: Der Samichlausenschauspieler (denn dass der Samichlaus nicht echt war, sondern bloss hervorragend gespielt, hatte ich mit fortschreitendem Alter auch ausbaldowert) heisst genau so, und tatsächlich ist der Ben sein Sohn, und also habe ich demzufolge gestern Abend des Samichlausen Sohn in leibhaftigem Ausmass getroffen! Wenn das mal keine Erkenntnis ist, die selbst den Stärksten aus den Socken haut! Mich hat’s das jedenfalls. Die Welt ist klein!