Am Märit

Warum es mir ausgerechnet jetzt in den Sinn kam, und warum ich es nicht schon längst berichtet habe, das weiss ich weiss Gott nicht. Aber jetzt ist es mir in den Sinn gekommen, und darum berichte ich postwendend.

Allerdings ist da zuerst ein Exkurs vonnöten. Ich mag ja Exkurse sehr. Item.

Vor geraumer Zeit kam im schweizer Fernsehen eine Sendung. Reporter wars. Es ging jedenfalls um die anstehende Gripen-Abstimmung und insbesondere um eine ältere Dame, die fleissig Unterschrifen gegen dieses unsägliche Flugi sammelte. GSoA-Aktivistin ist sie, und mit ihren über 80 Jahren noch so fit, wie ich es wahrscheinlich niemals sein werde.

Jedenfalls machte mir diese Sendung, oder besser gesagt: diese Frau, gehörig Eindruck, und ich dachte mir: «Auso, die Louise Schneider, das isch mr no eini! Die fägt! Die hets im Griff! Di gfaut mr! Die macht das super!» und es reute mich ein wenig, dass ich damals meine Unterschrift nicht auf einen ihrer Bögen gesetzt hatte.

Wie gesagt ist diese Sendung vor einer ganzen Weile über den Äther gelaufen, nämlich am 18. Mai 2014, und in meinem Gedächtnis geriet die Frau Schneider deshalb ein wenig in Vergessenheit.

Und dann aber! Letzten Samstag war’s, und jetzt komme ich zum Kern des Pudels: Ich stand am Märit auf dem Bärenplatz und wartete und schaute mir die Leute an, die da des Wegs zogen, und plötzlich blieb mein Blick an einer älteren Dame haften. Augenblicklich durchzuckte es mich: «Das isch die vo denn usem Fernseh! Ke ahnig me, wi si heisst, aber di Frou isch dr füdleblutt Wahnsinn!» Und so tat ich, was ich sonst – schüüch, seriös u zrügghautend, wie es nun mal meine Art ist – niemals tue: Ich fasste mir ein Herz, steuerte auf sie zu und sprach sie an: «I kenne öich usem Fernseh! Dir sit doch da di Armeeabschaffere», sagte ich, mangels Erinnerung an ihren Namen, etwas unbeholfen. «Dir sit super, machet nume immer witer so! I wünsche nech aues guete!» brösmelte ich noch, und sie erwiderte: «Eeh, das isch mr no, dass me mis Gsicht ou nid cha vergässe», lächelte aber ein wenig und schien durchaus erfreut ob meines Zuspruchs.

Und so kam es, dass ich die legendäre Louise Schneider wirklich und wahrhaftig mit eigenen Augen gesehen, mit eigenem Mund besprochen und mit eigenen Händen gehändeschüttelt habe. Ein bisschen ehrfürchtig bin ich schon darob. Und der Frau Schneider wünsche ich grad nomau alles erdenklich Gute. Nächstes Mal trage ich ihr dann die Einkäufe nach Hause, wenn sie das gerne möchte. Es wäre mir eine Ehre.

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Das Spinnenbein

Ich versprach. Und ich halte.

Es geschah vor nicht allzu langer Zeit in der Küche. «Määänu, da het’s e gruusigi Spinnele! Tue die wäg!» schalmeite es an mein Ohr, und weil Diskussion in dieser Situation ohne Funktion wäre, ging ich hin, die Lage zu erfassen.

Tatsächlich: Ein Weberknecht – der, wie ich soeben der Wikipedia (der Online-Enzyklopädie, nicht dem Asteroiden) entnahm, offenbar nur in Vorarlberg und in der Schweiz auch als Zimmermann bekannt ist – , hockte da am Boden und sinnierte wohl gerade über den Sinn des Lebens oder nahm sich sonst eine Auszeit vom strengen Alltag, denn er rührte sich nicht. Weil Weberknechte zu den wenigen Spinnen gehören, die anzufassen mir nichts ausmacht, witterte ich die Gelegenheit, mit heldenhaftem Auftreten zu punkten und schritt stramm auf den ungebetenen Gast zu. Ich gedachte, ihn am Beine zu packen um ihn sodann sanft zum Fenster hinauszubefördern, wie dies so meine Art ist.

Das mit dem Am-Bein-packen gelang mit auch recht gut, denn ich kriegte gleich deren zwei zwischen Daumen und Zeigefinger zu fassen. Der nächste Punkt des meisterhaften Plans misslang dann allerdings so gründlich, wie es nur geht: Auf mystische Art und Weise entfleuchte mir das Tier, und als ich verdattert nochmal genauer hinschaute, bemerkte ich, dass es ein Bein bei mir gelassen hatte, während es sich auf sieben leisen Sohlen hinter der Schrankabdeckung vor meinen groben Greifern in Sicherheit brachte.

Dies alleine wäre schon Grund genug gewesen, mir ein derart schlechtes Gewissen einzujagen, um mich eine Woche lang um meinen Schlaf zu bringen. Aber damit noch nicht genug: Das zurückgelassene Bein – einsam und schutzlos, wie es da auf dem Boden lag – mochte sich mit seiner Situation so gar nicht anfreunden und zuckte weiter munter vor sich hin. Eine gute Minute lang ruderte und strampelte es vergebens, als werde es von schwarzer Magie (mindestens!) oder einem bösen Zauber am Leben erhalten. Dermassen grauslich war dies Schauspiel, dass ich mich tatsächlich nicht mehr überwinden konnte, das bedauernswerte Bein mit blossen Händen würdig in den Kehricht zu befördern, sondern dafür Schüfeli u Bäseli bemühen musste. Eine Operation zum wieder-annähen scheiterte sowieso an der Absenz des Beinbesitzers.

Wenige Tage später tauchte das Tier dann erneut auf. Diesmal wurde ich ihm mit der bewährten Glas-und-Postkarte-Methode Herr und entliess es über den Balkon endlich in die Freiheit.

Das also war die Schauermär des zuckenden Spinnenbeins. Damit Du aber trotzdem noch gut schlafen kannst heute Nacht, jetzt noch zu etwas komplett Anderen.

Es kam heute ein Tatort, wie das an Sonntagen üblich ist. Der Titel hiess «Wahre Liebe» und spielt absolut keine Rolle. Eine Rolle hingegen spielte da tatsächlich der Christian Kerepeszki! Der Christian Kere-wer? Oh Mann, natürlich der Christian Kerepeszki, der zur Zeit am Stadttheater Bern den Faust mimt! Na, wenn das kein Zufall ist! Ich jedenfalls hatte meine helle Freude, ihn auf einmal völlig unerwartet im Fernsehen zu sehen, nachdem ich gestern Abend noch mit (oder besser gesagt: hinter) ihm auf der Bühne gestanden bin.

Voilà. Gute Nacht.

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Der Faust

Ich hatte im letzten Beitrag ja bereits so etwas angetönt, und nun mache ich meine Drohung wahr und berichte davon.

Die RBB macht ein Theater, und was für eines! Wir wurden vom Stadttheater Bern engagiert, um in der Inszenierung von Goethes Faust mitzuwirken. Und nun untermalen wir das Stück also zwischendurch musikalisch-fulminant. Die Kritiken in der Tagespresse mögen das Stück zwar nicht über alle Massen rühmen, aber eines ist ihnen allen gemein: Die RBB wird gelobt, und das ist ja wohl mehr als Grund genug, sich selber ein Bild davon zu machen!

Aufgrund der kleinen Besetzung, in der wir auftreten, wechseln wir uns auf den Stimmen ab, und so kommt jeder mal zum Zug. Meine Züge fahren jeweils um 19:30 an folgenden Daten:

  • 27. September 2014 (Heute! Meine Premiere! Hossa!)
  • 21. Oktober 2014
  • 28. November 2014
  • 22. Januar 2015
  • 15. Februar 2015 (Die Dernière)

Da Stellwerk- oder Fahrleitungsstörungen bei meinen Auftritten eigentlich vorprogrammiert sind, hier noch die Daten, an denen ich nicht spiele, und die folglich garantiert fehlerfrei über die Bühne gehen:

  • 8. Oktober 2014
  • 17. Oktober 2014
  • 8. November 2014
  • 22. November 2014
  • 20. Dezember 2014

Voilà! Nächstes Mal dann vom zuckenden Spinnenbein. Man darf gespannt sein.

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37.8 °C. Leider weder Wasser- noch Lufttemperatur.

Schon merkwürdig, eigentlich, was für einen Unterschied so ein lumpiges Grad Celsius machen kann. Vorausgesetzt, es kommt vom Körperinneren her. Mit 36.8 °C ist alles schön und gut, aber kaum dreht der Hypothalamus, dieser heimtückische Heizer, das Ventil um ein Grädchen rauf, ist fertig lustig.

Immerhin ermöglicht unsere moderne pharmazeutische Industrie es mir, dem fiebrigen Dämmerzustand zu entfliehen. Hiess es im Mittelalter wohl: «Fieber? Aderlass, so lautet heutzutage das Gebot der Stunde: «Fieber? NeoCitran©®™ Und siehe!, es wirkt bereits! Der Schweiss dringt mir aus allen Poren, dass Gott erbarm, und das kann nur eines bedeuten: Mein Heizer, Herr H. Ypothal-Amus, hat auf Geheiss der novartis’schen Pharmazeutika die Körperkernsolltemperatur auf ein erträgliches Mass reduziert und so befinde ich mich nun im Zustande der Kühlung.

Völlig doof, eigentlich: Zuerst heizen, wie ein Wald voller Affen, dann schwitzen wie derselbe, nur, um am Ende wieder bei 0, bzw. um die 36.5 °C, zu landen. Das ist ja genau so, wie wenn Du im Haus die Heizung aufs Maximum stellst und dann merkst: «Öu blöd, heiss!» und dann die Fenster aufreisst, um Dir Linderung zu verschaffen. Völliger Energieirrsinn. Also, ich persönlich werde wohl niemals das Minergielabel erhalten.

Aber merkst Du, wie ich gesprächig werde? Wohl geht meine erhöhte – und mittlerweile künstlich gesenkte – Temperatur mit einer ausgewachsenen Logorrhoe einher! Das trifft sich gut, denn ich habe viel zu erzählen: Da wäre zuallererst natürlich der Faust am Stadttheater Bern (der wo gestern Premiere hatte, die ich mir natürlich nicht entgehen liess), dann könnte ich die Geschichte von der Spinne und dem zuckenden Bein erzählen, oder mich über mein geflicktes Velo freuen!

Aber ich glaube, das hat Zeit bis zum nächsten Beitrag. Da ich ja nun ans Bett gefesselt scheine (übrigens e sehr guete Momänt – zwei Tage vor meinen Ferien!), habe ich Zeit und Musse, mir die Langeweile zu vertreiben. Wenigstens etwas Gutes am Ganzen.

Gute Nacht!

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Schschschöneguetemorge!

Was für ein Start in den Tag! Da sitze ich unbekümmert im Tram, um zur Arbeit zu fahren, und kurz vor dem Hirschengraben knackt’s plötzlich im Lautsprecher. Der Trämeler meldet sich: «Schschschöne guete Morge, wärti Fahrgescht», schallt es in einer Lautstärke durchs Tram, dass ich einen veritablen Zusammenzucker vollführe, und wer schon mal mit mir im Kino einen Horrorschblättertriller gesehen hat, kennt meine Schreckhaftigkeit und erwartet jetzt wohl, dass ich auch noch ggöisse, aber dafür ist’s mir um sieben noch zu früh.

Zum ggöissen bleibt mir auch gar keine Zeit, denn die Durchsage geht schon weiter: «Das wär itz none Tag für i d Bärge z’ga, gäuet, bi däm schöne Sunneschyyn! I wünschenech uf jedefau e wunderschöne Tag, ohni Stress, Erger u Töibi!» Die Stimmung im Tram ändert schlagartig von Ääh-i-mues-ga-bügle auf Hey-super-d-Sunne-schyynt, und alle raunen unisono «Merci», einige gar noch «Glyychfaus». Und auch ich merke, wie mich diese Worte erheitern. Dafür möchte ich dem Trämeler, der heute Morgen das 9i-Tram auf sicherem Weg mit grösstmöglichem Fahrkomfort zum Bahnhof führte, danken und wünsche ebenfalls einen wundervollen Tag. Man sollte dies viel öfter tun.

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