Die Valiant gehört abgeschossen

Ich bin überrascht: Offenbar wohne ich erst seit kurzem in Bern und muss mich erst noch in dieser für mich neuen Stadt einleben. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass mir die Valiant-Bank einen Brief schickt mit dem Titel Willkommen in Bern und folgenden einleitenden Worten:

Sehr geehrter Herr Friedli

Sie leben seit kurzem in Bern. Wir heissen Sie in Ihrem neuen Wohnort herzlich willkommen und hoffen, dass Sie sich bereits gut eingelebt haben und sich wohlfühlen.

Die Deppen! Natürlich fühle ich mich in Bern wohl, schliesslich wohne ich hier seit 33 Jahren, 5 Monaten und 15 Tagen! Selbst meinen «neuen Wohnort» habe ich vor über 3 Jahren bezogen, und sowieso ist es nichts als eine einzige Frechheit, behaupten zu wollen, sie kennten mein Leben besser als ich selber. Abgesehen davon: Woher haben die meine Adresse? Weder habe noch hatte ich jemals ein Konto bei der Valiant. Naja, die Informationswege des Herrn sind bekanntlich unergründlich, und wenn ich mein Geschenk abholen gehe, das im Brief ebenfalls versprochen wird, werde ich mich mal beiläufig danach erkundigen.

Trotzdem wird es wohl Zeit, dass ich meine Abschussliste aktualisiere.

Sie sind jetzt mit dem Internet verbunden

Oh, wieder mal eine Stielblühte habe ich zu bieten. Es scheint nicht einmal ein Berliner Nobelhotel davor gefeit zu sein, Opfer von schlechtem Deutsch zu werden. So wird man im Marriott nach erfolgreicher Anmeldung im hauseigenen WLAN von folgendem Bildschirm begrüsst:

Gehen Sie herein!
Gehen Sie herein!

Öh, also, wie nun genau?

Gebäude und das Glasfaser

Hey, programmiere isch im Fall voll doof. Drum ich han mir dänkt machich noie Job. Du wäisch, ich bin voll guet mit so Sprach und so, so dems Grammatik ich hanen voll am Griff, gäll, und au ems Rächteschribig, oder. Und darum ich mach jetz bi däne Swisscom so die Hilfetext, wäisch in ihrere Website, so für ams Lüt zum Hälfe wo chömed nöd drus, Mann. Ja, ich schribe jetz da voll gueti Text, wäisch, so ganz eifach und voll klar, damit du chunnsch grad drus wänn du verstahsch, oder! Du wöttsch der Bispiel gseh? Tuesch du da luege was ich han gschribe, voll easy. Ich han sogar der gääli Lüüchtstift agmacht:

Ich han mir im Fall voll Müe ggeh!

Isch voll easy, odder!?

Guten Flug? Schön wär’s!

Baaaaaah, ich sage euch! Fliegen ist ja vielleicht ein Kack, da reichen die Wörter «Mist», «Mumpiz» oder «Mastdarmsekret» bei Weitem nicht mehr aus!

Beginnen tat es im Flughafen zu Hamburg. Damit wir nicht zu stressen hätten, um den 20-Uhr-Flug zu erreichen, fanden wir uns bereits um 15:30 statt um 18 Uhr an Ort und Stelle ein. Da erfuhren wir, dass mit 60 bis 90 Minuten Verspätung gerechnet werde. E sehr guete Momänt, waren wir also circa 6 Stunden zu früh. Henu, sagten wir uns, und wollten schon mal einchecken und das Gepäck aufgeben, damit wir uns unbeschwerter bewegen könnten; um 16:00 öffne unser Check-In-Schalter, die Nummer 8, hiess es. Also standen wir um fünfvorvier schon mal an und freuten uns darüber, den Schlangenkopf bilden zu dürfen.

Nach einer Viertelstunde wurde das aber öde, und als dann um fünfvorhalbfünf endlich ein Check-In-Beamter sich bequemte, sein Amt auszuüben, war ich schon ein wenig angemufft. Aber der Herr war sehr freundlich und damit in der Lage, meinen Groll zu zerstreuen.

Gar nicht freundlich aber war der mürrische Mann am Sperrgutschalter. Wortkarg, um nicht zu sagen: einsilbig, deutete er mit suurnibligem Kopfrucken an, wir sollten den Kinderwagen aufs Förderband hieven. Wir taten, wie geheissen, und nachdem jedwede weitere Regung seitens des Griesgrams ausblieb, betrachtete ich unser Werk als getan und überliess alles Weitere getrost den emsigen Gepäckheinzelmännchen im Untergrund. Wahrscheinlich war dies ein Fehler, aber dazu kommen wir gleich.

Die verbleibenden langen Stunden schlugen wir uns irgendwie um die Ohren und konnten tatsächlich um 21 Uhr boarden.

Gelandet wurde in Zürich um ca 22:30, und wir begaben uns sogleich zum Gepäckband Nummer 15. Ich jedoch hielt Wache bei Nummer 16, wo das Sperrgut angekündigt war. Wie ein Habicht wachte ich und registrierte allerhand Gepäckstücke: vom Golfsack über ein Surfbrett bis zum riesengrossen Rucksack war alles dabei, bloss des ersehnten Kinderwagens wurde ich aller Scharfäugigkeit zum Trotz nicht ansichtig.

Bis mir schliesslich um viertelnachelf mal mein Kragen mit lautem Getöse platzte und ich mir so einen Gepäckheini krallte: Wann dann wohl endlich noch der Rest des Sperrguts komme?! wollte ich wissen. Woher wir denn gekommen seien? wollte er wissen. Aus Hamburg, sagte ich. Hamburg ist schon lange fertig, da kommt nichts mehr, sagte er.

Jetzt war ich aber echt sauer und gab ihm das ein wenig zu spüren, worauf er gleich sein Telefon zückte und ein leider ergebnisloses Telefonat führte. Er hiess uns, schon mal beim Fundbüro eine Verlustmeldung erfassen zu gehen, er würde sich dann so umgehend wie geschwind bei uns melden, sollte der Kinderwagen trotzdem noch auftauchen. Also taten wir, wie geheissen, und machten den Fundbüroschalter unsicher. Spürbar aufgebracht schilderte ich der Dame hinter dem Tresen unser Anliegen. Ihre beschwichtigende Art und sichtliche Anteilnahme an unserem Schicksal vermochten mich aber zu besänftigen. Zwei Mal an diesem Tag also war es jemandem gelungen, meinen Zorn zu vertreiben, und das will was heissen! Wenngleich es beim zweiten Mal streng genommen bereits der nächste Tag – da nach Mitternacht – war …

Ihrem Computersystem entnahm die charmante Dame, dass unser Kinderwagen seinen Aufenthalt in Hamburg offenbar um einen Tag verlängert hatte. Im Geiste verfluchte ich den apathischen Sperrgepäckheini am dortigen Flughafen, wünschte ihm Pest, Krätze und einen lebenslangen Schluckauf an den Hals, und erkundigte mich gleichzeitig, ob denn wenigstens ein Ersatzwagen zur Verfügung stünde. Die Dame wurde etwas verlegen und konnte uns lediglich einen Buggy für mindestens 15-jährige Kinder anbieten. Besser aus nüt, i wott eifach hei, sagten wir uns, und machten das Beste daraus. Ziemlich auf den Felgen erreichten wir dann den 00:41-Zug und waren tatsächlich bereits um zwei Uhr des Nachts in Bern, nach einer totalen Reisezeit von circa 17 Stunden.

Da soll mir noch einer sagen, fliegen sei besser als Zugfahren! Ich werde persönlich einen lauthalsen Tobsuchtsanfall vollführen und ihm die Kutteln putzen, dass er die Osterpföteler zawangglen hört! Nein, ehrlich, fliegen ist so ein Kack. Ich habe die Schnauze gestrichen voll davon.

Immerhin wurde der Kinderwagen dann am nächsten Abend frei Haus geliefert. Das ist aber auch das Mindeste.

Einmal Bern – Wittdün, bitte!

So eine Reise, die bietet immer wieder Erzählstoff. Von Bern nach Zürich Flughafen war ja alles wie gehabt, bloss, dass die zweite Klasse derart überfüllt war, dass ein Klassenwechsel unumgänglich war.

Von Zürich Flughafen nach Hamburg gibt’s auch nicht viel zu sagen, bloss, dass es sich auszahlen kann, mit Kinderwagen unterwegs zu sein, da man so bei der Gepäckaufgabe prioritär behandelt wird.

Von Hamburg Flughafen nach Hamburg Altona gibt’s ebenfalls kaum was zu erzählen, ausser, dass beim Flughafen der Lift defekt war und wir so Koffer, Kind und Kegel über die Treppe zum Perron bugsieren mussten. Und dass es in Hamburg Altona genau einen einzigen, munzigen Lift gibt, der überdies andauernd mit Leuten besetzt ist, die offenbar zum Spass liftfahren, und man so gut und gerne mal eine Viertelstunde wartet, bis man an die Reihe kommt.

Dann aber von Hamburg Altona nach Niebüll, da gibt’s was zu erzählen, obwohl – oder vielleicht eben gerade weil – wir es mit dem Zug gar nie bis nach Niebüll geschafft haben. Und das kam so:

Zu Beginn war in diesem Regionalbummler schon mal die Klimaanlage defekt. Es scheint ja ein Hobby der Deutschen Bahn zu sein, dass man seine Kunden in – sagen wir mal – wohltemperierten Wagen umherchauffiert, wohei in diesem Zusammenhang das Wort chauffieren zu einer ganz neuen Bedeutung gelangt. Aber eine defekte Klimaanlage vermag uns nicht zu schrecken, verschwitzt waren wir sowieso schon. Dass der erste Halt, in Elmshorn, dann aber nicht wie geplant eine Minute dauerte, sondern ungefähr deren vierzig, das schreckte uns dann schon mehr, schliesslich hatten wir einen Anschluss zu erwischen.

«Wir haben technische Probleme mit einer Weiche, die sich nicht mehr schalten lässt», liess sich der Zugchef durch die Lautsprecher vernehmen. «Sie müssen jetzt leider alle aussteigen, und sich auf Fahrsteig 2 begeben, dann muss der Zug zurücksetzen und auf das andere Geleise fahren, dann können Sie wieder einsteigen. Leider dürfen sie nicht sitzen bleiben, weil dies ein Rangiermanöver ist. Ich habe lange mit dem Fahrdienstleiter diskutiert, aber der ist da leider sehr streng.» Bravo. Also alles raus, aufs andere Perron, in der Hitze nochmal zehn Minuten gewartet, bis der Zug umparkiert hatte und dann wieder eingestiegen.

Nächste Lautsprecherdurchsage: «Soooo. Wir verkehren aktuell mit einer Verspätung von 40 Minuten. Die Anschlüsse auf die Inseln Föhr und Amrum werden wir nicht schaffen. Ich komme darum nun durch die Wagen, und wenn ich Ihre Fahrkarten kontrolliere, teilen Sie mir bitte mit, ob sie auf die schönen Inseln Föhr oder Amrum wollen, und wieviele Personen Sie sind. Wir werden dann Taxen organisieren, die sie zum Fähranleger in Dagebüll bringen.» Na gut, immerhin kümmern sie sich um uns, dachten wir, und warteten auf den Kondukteur.

20 Minuten später die nächste Durchsage: «Also, meine Damen und Herren: In Husum erwarten sie ein Taxi und ein Grossraumtaxi. Alle, die nach Föhr oder Amrum wollen, steigen also in Husum aus und begeben sich zu den Taxen.» Tja, und wir? Ich zweifelte, dass der Kondukteur unsere Gepäck- und Personenmenge in Rechnung hatte, und begab mich auf die Suche nach ihm. «Ich weiss ja nicht, mit wievielen Personen Sie für Amrum rechnen, aber wir müssten dann auch noch mit», sagte ich ihm, als ich ihn gefunden hatte. «Wieviele?», wollte er bloss wissen. Ich beschied ihm, und er bestellte sofort Taxi-Nachschub.

Kurz vor Husum kam dann noch die letzte Durchsage: «Meine Damen und Herren, nochmal eine schlechte Nachricht: Nach einer defekten Klimaanlage in den Wagen und einer defekten Weiche haben wir nun noch eine defekte Klimaanlage in der Lok. Und da ich meine Kollegin da vorne nicht so leiden sehen will, müssen wir die Lok in Husum austauschen. Wir werden also nochmal einen längeren Aufenthalt haben. Ich glaube, damit haben wir heute alles erlebt, was man erleben kann.» Ich kann dieser Aussage eigentlich nur beipflichten.

Immerhin aber klappte das mit den Taxis in Husum, und sie verfrachteten uns mit grosser Eile nach Dagebüll, wo uns schliesslich noch über eine halbe Stunde Zeit bis zur Abfahrt der Fähre blieb.

Von der Fährfahrt gibt’s nun wieder nichts zu berichten, denn wir sind weder auf Grund gelaufen noch abgesoffen, und so können die Ferien nun eigentlich beginnen und wir können Energie tanken. Wenn die Rückreise nämlich so verläuft, wie die Hinreise, werden wir die bitter nötig haben.