Heute im Cavaña: eine Schachpartie ist im Gange, soeben hat mir mein Gegenüber seine Dame auf dem Silbertablett serviert, und währenddem ich sie verdaue, füllt sich der Tisch in meinem Rücken mit jungem Volk, derweil am Tisch im andern Eck der Beiz zwei Gitärreler eine unglaubliche Musik in die Nacht zaubern, das Repertoire reicht von Tom Jobims Klassikern (How Insensitive) bis zu Polo Hofers Gassenhauern (Kiosk). Einer der Gitärreler ist uns Schachspielern wohlbekannt: Eindeutig erkennen wir dank der charakteristischen, heiseren Stimme und der ehemals weissen und nun etwas fleckigen Lederschuhe jenen Mann, den wir vor Jahren einmal stockhahnenbetrunken im Propeller angetroffen hatten. Damals erzählte er uns, er sei soeben aus dem Knast entlassen worden, und nun wolle er ins Puff, und ab hier wird’s jugendunfrei, deshalb beschränke ich mich darauf, zu erwähnen, dass er in die Pery-Bar keinen Einlass fand, damals.
Heute aber hat er eine Gitarre in der Hand und klimpert mir — und dem ganzen restlichen Lokal — wohlige Melodien ins Herz.
Item. Ich verlustiere mich soeben an einem meines Gegners Türmen, als im Hintergrund, also an jenem Tisch mit dem jungen Volk, eine interessante Diskussion ihren Lauf nimmt. Ein Jüngling erzählt eine Räuberpistole: «U de bini go schiffe, u nächär ohni Händwäsche u Seife wider zrügg, u aui hei gseit «Wääh, grusig!».», oder so ähnlich hat’s geklungen. Ich denke mir auch, Wääh, grusig!, aber sagen tue ich nichts, sondern spitze weiter meine Ohren und lausche der Unterhaltung. Dieselbe läuft darauf heraus, dass ein Teil der männlichen Tischbewohner findet, ihr «Ding» sei ja immer sauber, und deshalb müsse man nach dem wässrigen Geschäft auch nicht die Hände waschen. Die Frauen sind nicht restlos einverstanden, aber den Fortverlauf des Disputes kann ich nicht wirklich mitverfolgen, streckt mir doch mein Gegenüber seine Hand entgegen, als Zeichen dafür, dass er die Partie aufgibt. Somit steht es nun, seit Beginn der Statistik, 7.5 : 1.5. Leider für ihn. Es kann für mich also nur noch besser werden.
Ob des Sieges freue ich mich, und das ermüdet mich derart, dass der Gang nach Hause angesagt ist. Und ebenda erwartet mich dicke Post: Ein Couvert des Komp Zen Mil Musik liegt auf dem Tisch und harrt meiner. Ich zücke das Messer und fördere vier dieser hässlichen Stoffnamensschilder für den umgebauten TAZ zutage, den ich noch gar nicht besitze, denn mein Vierfruchtpischamah ist immer noch mit den messingenen Funktions- und Gradabzeichen und den plastikenen Namensschildern versehen. Es wird wohl Zeit für meinen nächsten WK. Der erwartet mich bereits Anfang Oktober…
Deshalb will ich nun aber noch nicht Trübsal blasen, das kann ich gegen Ende September immer noch nachholen. Vielmehr will ich mich auf die nächste Zukunft freuen, welche die Rückkehr Romans (des einzigen wahren) nach zwei Jahren Argentinienaustausch, eine Reise nach Münsingen (D), das Gurtenfestival (Freitag bis Sonntag; ich freue mich besonders auf das SJO und Patent Ochsner) und das obligate og-Lager für mich bereithält. Das ist Grund genug zum Anlass.